Schickes Ende

Die Welt geht unter. Corona ist nur der Vorbote. Wenn selbst die Modebranche sich der Apokalypse verschreibt, ist das ein todsicheres Zeichen.

„Das Licht, das doppelt so hell brennt, brennt eben nur halb so lang.“
Die beschwichtigende Formel aus Ridley Scotts dystopischem Science-Fiction-Film Blade Runner von 1982 gilt einem sogenannten Replikanten – ein künstlich erschaffener, menschenähnlicher Android mit eingebautem Haltbarkeitsdatum. Es ließe sich aber genauso gut auf die Haltbarkeit von Mode oder die Menschheit übertragen. Verglichen mit den meisten anderen Lebewesen verweilt unsere Spezies erst kurz auf der Erde – und wie es aussieht, nicht mehr allzu lange – doch in dieser kurzen Zeit hat sie das Gesicht der Erde stärker verändert als jede andere biologische Art. Der drohende Untergang der menschlichen Episode zieht sich durch die Geschichte: Religion, Film, Kunst und Literatur überschlagen sich seit je her mit Endzeitszenarien.

Nun widmet sich auch die sonst eher von Optimismus und Parallelweltexistenz geprägte Modebranche dem Untergangs-Genre. Das reicht von langlebiger, luftiger und zeitloser „Corona-Mode“, die der Höllenfahrt zumindest das Tempo nehmen möchte, über Social-Distancing-kompatible Einzelkämpfer- und Survival-Outfits, die uns das Ende des Kuschelzeitalters prophezeien und Pandemien zum künftigen Normalzustand erklären, und religiös inspirierten Entwürfen wie bei Simone Rocha, die ein lilafarbenes Kleid mit dem Namen eines Heiligen bestickte, der das Weltende vorhersagte (nicht als Kalenderjahr, sondern als Papstfolge – demnach würde der amtierende Papst zugleich der letzte sein) bis zum Sintflut-Chique von Balenciaga, mit der Frau auch in Klimakatastrophenszenarien à la The Day After Tomorrow von Roland Emmerich eine gute, nein, eine sehr gute Figur abgäbe. Tatsächlich überflutete Balenciaga bei der Paris Fashion Week im Frühjahr 2020 den Laufsteg und die unteren Sitzreihen mit Wasser. Dazu kamen dunkle Wolken und Gewitter aus der Video-Konserve. Die Models trugen rote schienbeinlange Regenponchos, die sie wie Engel oder Teufel wirken ließen, bodenlange schwarze Roben, teils mit Kapuzen, die an finstere Mönche erinnerten und überbreite Kostümoberteile mit nach oben spitz zulaufenden Schultern, die schnell an Engelsflügel denken lassen – allesamt beliebte Zutaten für Apokalypse-Filme.

Bei einigen Entwürfen des spanisch-französischen Designers Paco Rabanne hingen von den engen Kapuzen der Kleider mit orientalischer Anmutung Applikationen wie Teppichfransen über die Gesichter der Models. Das weckt Assoziationen mit islamischen Verhüllungsstyles wie Hidschab und Burka und veranlasst islamophobe Zeitgenossen vermutlich dazu, eine drohende (Kultur-)Apokalypse hineinzugeheimnissen. Erst recht, wenn sie im Alltag noch mit Schutzmasken kombiniert werden. Modisch beabsichtigt war wohl eher eine Anspielung auf die Maske als Schutz vor Krankheiten – nicht vor Blicken. Egal welche Endzeitszenarien dem Betrachter durch den Kopf spuken, die Message der Modemacher ist klar: Wenn die Welt schon untergehen muss, dann nur mit Stil.

Foto: Helmut Fricke