Vom Mode-Inferno zum It-Piece

Mit dem Ende des römischen Reichs verschwand auch die Männersandale aus dem öffentlichen Stil-Bewusstsein. Jetzt ist sie zurück – mit ihrem schlimmsten Partner: der Socke

For the times they are a-changin‘. Bob Dylan wusste es schon in den frühen Sixties. Wie sehr die Welt im Wandel ist, zeigt sich auch anhand der Modetrends. Männer, die Socken in Sandalen trugen, galten lange Zeit die Queen Mother of Modesünden. Schon allein Sandalen abseits des Strandes empfand die Fashion Police als absolut verwarnungsbedürftig. Wer seine Sandalen obendrein mit Socken trug, musste jederzeit mit einer Verhaftung rechnen, womöglich mit lebenslänglicher Ächtung durch die Fashion-Gemeinde. Birkenstocks erhielten bei Modebewussten ähnlich viele Likes wie Kreuz & Knoblauch bei Graf Dracula. Doch genau wie Politik, Medien und Wähler hat auch die Mode ein sehr kurzes Gedächtnis. Was gestern das Allerletzte war, ist heute en vogue. Aus „Nie wieder Krieg!“ wird über Nacht schon mal eine beispiellose Aufrüstungsorgie. Und das ewige No-Go-Piece Männersandale flaniert heute die Catwalks rauf und runter, als hätte es nie ein stylisheres Accessoire gegeben. Das ist alles andere als ein Gag der Big Players im Business. Die Modesuchmaschine Lyst verzeichnete jüngste eine steigende Nachfrage nach Yeezy Slides, eine Kreuzung aus Crocs und Aldiletten. Fast jeder Big Player hat diesen Sommer Männersandalenmodelle am Start. Von Marnis schwarzer Jacquard-Pantolette bis Dries van Notens japanisch anmutenden Sandalen mit Mesh-gepolsterten Doppelriemen. Skeptiker mögen dies mit einem Seufzen als Emanzipation der sehr viel strikteren Männermode abhaken, eine blickdichte Sonnenbrille aufsetzen und hoffen, dass der Trend sich wieder legt. Allerdings – das sind die Tücken der Mode – ist die neue Fußfreiheit kein Blanko à la anything goes. Auch vermeintliche Stilbrüche folgen Regeln. Der einstigen Zombie-Kombi sind auch im Gucci-Modus einsatzspezifische Grenzen gesetzt. Sandalen mit Anzug und Krawatte sind nach wie vor kein Beförderungschancenbooster. Das Ambiente muss stimmen. Ebenso wie die restliche Kleidung. Auf Empfängen mit roter Auslegware wirken Männerfüße in Socken und Sandalen nicht wirklich oscarreif. Am Opern-Einlass und auf Beerdigungen werden die etwas traditionelleren Gäste vermutlich die Nase rümpfen, selbst wenn ihre Füße und Socken frisch gewaschen sind. 

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