Bei der Umweltfreundlichkeit bleibt die Modebranche vieles schuldig. Höchste Zeit, in Sachen Nachhaltigkeit selbst die Fäden zu ziehen.
Nachhaltige Mode, das widerspricht sich geradezu. Denn auch Kleidung, die für ihre Herstellung und den Transport vergleichsweise wenig Wasser und Energie benötigt, verbraucht Ressourcen und zerstört Natur bzw. verwandelt sie in ein Produkt, das irgendwann zu Müll wird, sofern es nicht vollständig recycelt wird, aber auch hierzu benötigt es wieder Energie und evtl. den Einsatz von umweltschädlichen Chemikalien. Besser wäre der Verzicht auf Konsum. Da nicht jedes Kleidungsstück ein Leben lang hält, ist der nächstbeste Nachhaltigkeitsschritt, sie bei Bedarf zu reparieren und damit ihr Leben zu verlängern.
Wer jedes Jahr seine Garderobe komplett erneuert, weil sie nicht mehr irgendwelchen konsumfördernden Modekriterien entspricht, handelt nicht nachhaltig – egal wie ultraöko die neuen Klamotten auch sein mögen. Deshalb sollte bei jeder Neuanschaffung neben den produktspezifischen Nachhaltigkeitskriterien (Verarbeitungsqualität, umweltfreundliche Herstellung, kurze Transportwege etc.) auch die Frage beantwortet werden: Wie lange und wie oft will/kann ich dieses Teil tragen?
So mancher spontane Kaufimpuls entpuppt sich zu Hause als Staubfänger und bestätigt die Feststellung des Soziologen Harald Welzer, dass heute viele Dinge gekauft, aber nicht mehr konsumiert bzw. genutzt werden. Das beginnt bei Lebensmitteln, die wir kaufen, weil sie gerade günstig sind, weil wir spontan wegfahren oder weil wir vergessen haben, dass noch genügend davon im Kühlschrank warten, und schließlich wegwerfen. Und es endet noch lange nicht bei der Kleidung, die wir shoppen, aber doch nie oder nur ein paar Mal tragen, bevor sie entsorgt wird.
Nachhaltiger Umgang mit Kleidung erfordert entsprechende Achtsamkeit auf mehreren Ebenen:
1. Kleidung so lange tragen wie möglich.
2. Reparieren ist besser als Wegwerfen.
3. Auch bei der Pflege und Reinigung auf Nachhaltigkeit (nur Waschen wenn nötig – oftmals genügt es, ein Hemd auszulüften, umweltfreundliches Waschmittel, Verzicht auf Trockner, auch bei der professionellen Textilreinigung gibt es umweltbewusste Anbieter.
4. Statt alte, aber noch gut erhaltene Kleidung wegzuwerfen, wäre es besser, sie zu tauschen, zu verschenken oder zu spenden.
5. Beim Neukauf (besser: Second Hand) auf Materialien und Herstellung achten: Textilien, die beim Anbau und bei der Verarbeitung der Rohstoffe, den geringstmöglichen Schaden anrichten und langlebig, zudem fair produziert sind.
Klar, übertragen auf die gesamte Menschheit sind das winzige Beiträge. Aber das darf keine Ausrede sein. Fast immer beginnen große Veränderungen mit kleinen Schritten. Vergessen wir nicht: Am Anfang von Fridays for Future stand eine 15-Jährige alleine vor dem schwedischen Parlament und hielt ein Pappschild hoch. Auch die heute vielerorts selbstverständlichen Bürgerrechte sind keine großzügigen Geschenke einsichtiger Politiker. Sie wurden über Jahrzehnte mühsam erkämpft, oft genug von Menschen, die sich ohnmächtig fühlten. Wer darauf wartet, dass Politik oder Konzerne freiwillig und von selbst Änderungen im großen Maßstab vornehmen, kann lange warten. Der Circular Fashion Index 2022* untersuchte 150 global operierende Modemarken: Demnach verarbeiten nur 7 Prozent der ausgewählten Labels in größerem Maßstab recycelte Materialien und 39 Prozent der Labels gar nicht. Auch bei den anderen Kriterien war sehr viel Luft nach oben. Wer etwas ändern möchte, muss also bei sich selbst anfangen. So gesehen ist ein bisschen Achtsamkeit für das Überleben der Menschen, die als Erdgäste nach uns folgen, eine vergleichsweise einfache Übung – besteht sie doch in erster Linie aus Verzicht und Wachsamkeit. Und jeder positive Beitrag kann zum Vorbild für viele werden. Siehe Greta.
* Der von der US-amerikanischen Unternehmensberatung Kearney entwickelte Index bewertet die Bemühungen von Modemarken, den Lebenszyklus ihrer Produkte im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zu verlängern.
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