Status-Blending

Ikea-Taschen, Haushaltsreiniger, Streetware: Warum im Luxussegment immer öfter Billigartikel zum Vorbild werden. 

Vor einigen Jahren verwandelte das französische Modehaus Balenciaga die markante blaue und ein Euro teure Ikea-Tasche Frakta in eine ca. 2.000 Euro teure Luxustasche aus blauem Kalbsleder namens Arena Extra-Large Shopper Tote Bag. Ein prominenter Fall, aber bei weitem nicht der einzige, bei dem sich ein Luxuslabel ein Massenprodukt aus dem untersten Preissegment aneignet und für die eigene Kundschaft uminterpretiert. Etwas Ähnliches machte das Label des verstorbenen Mode-Witzbold Moschino, als es einen Eau-de-Toilette-Flakon auf den Markt brachte in der Gestalt einer Haushaltsreiniger-Sprühflasche. Später verwendete Moschino dieses Design auch für etwas extravagantere iPhone-Hüllen. Und Anya Hindmarch designte eine goldfarbene Handtasche, deren Form und Anmutung von den raschelnden Chipstüten inspiriert war, die es in jedem Supermarkt gibt. Analog dazu verzeichnen die Medien immer mehr Beispiele, in denen Leute, die sich gewöhnlich mit Luxus umgeben, ihr Erscheinungsbild mit Stücken garnieren, die bislang als Unterschichtssymbole stigmatisiert waren. So erschien Schauspieler Timothée Chalamet (Lady BirdThe King) mit einer Art Bomberjacke zur diesjährigen Oscarverleihung, markierte aber mit einer Edelsteinbrosche von Cartier, dass hier kein Partycrasher durch die Security geschlüpft war. 

Interessant an diesem Trend ist, dass hier die Mittelschicht quasi übersprungen wird. Während diese ängstlich darum besorgt ist, sich nach unten abzugrenzen, und verzweifelt bemüht ist, an Do- und Don’t-Formeln festzuhalten, leisten sich immer mehr Reiche eine ordentliche Portion Exzentrik und bedienen sich hierfür am anderen Ende des Vermögensrankings. Statusverlust (wenn auch nur symbolisch und temporär) steht dabei gar nicht erst zu Debatte. Ein Hollywoodstar kann sich jeder Zeit auf dem Flohmarkt einkleiden. Dazu nagelneue Manolo Blahniks. Wer würde da peinliche Fragen stellen? Und wer mit einer Original Ikea-Tasche im Adlon eincheckt, den halten die meisten wohl eher für cool als für abgestürzt. Die Vereinnahmung von Low-End-Produkten durch Luxuslabels und -konsumenten dient zweifellos dazu, sich vom Mainstream abzuheben, den es ja auch bei Luxusartikeln gibt. Schließlich gibt es heute mehr reiche Menschen, denn je zuvor. Auf die luxuriöse Übernahme ihrer Ein-Euro-Tasche antwortete Ikea übrigens prompt mit einer selbstbewussten Annonce, die mehrere Punkte auflistete, anhand derer sich die Original-Ikea-Frakta-Tasche erkennen lässt. Damit unterstreicht Ikea, dass nicht nur Luxusprodukte von Billigmarken kopiert werden, sondern auch umgekehrt. Und dass es hierfür einen guten Grund gibt.

Foto: Claudio Lavenia / Getty Images