Papier-Revival

Mitte der 1960er Jahre waren Papierkleider der letzte Schrei. Für kurze Zeit. Der Trend könnte wieder kommen – als nachhaltige Variante.

Es begann mit einem Werbegag. Eine amerikanische Firma für Toilettenpapier verschickte Papierkleider an ihre Kundinnen als eine Art Treueprämie. Es traf den Zeitgeist der angehenden Wegwerfgesellschaft. Die Kleider waren bunt. Und billig. Zwischen einem und acht Dollar, das Stück. Bedruckt mit allem, was man wollte – oder was sich auf Papier drucken ließ: Muster, Stars, Tiere, Blumen, Autos, Kunst und natürlich Werbung. Auch Wahlkampf wurden mit den Kleidern gemacht. Ein hübsche junge Frau in einem Minikleid, bedruckt mit „Nixon“ war ein echter Hingucker – anders als ein Wahlplakat mit der einfältigen Visage des republikanischen Präsidentschaftskandidaten.

Jede Woche ein neues Kleid – das konnten sich nun auch weniger betuchte Konsumenten leisten. Tatsächlich waren nicht alle Modelle aus reinem Papier. Es hätte wohl zu wenige Bewegungen mitgemacht und sich beim leisesten Anflug von Regen zügig verabschiedet. Um mehr Stabilität zu erreichen, enthielten einige der Kleider auch Kunstfasern wie Reyon (Viskose) oder Kaycel. Der Trend war kurz. Vermutlich war es den meisten Frauen zu anstrengend, sich ständig neue Kleider anzuschaffen – auch wenn sie wenig kosteten. Einige Konsumentinnen plagte ihr Umweltbewusstsein. Letztlich waren die Modelle zu wenig alltagstauglich – verglichen mit gängigen Textilien wie Baumwolle oder Nylon.

Papier selbst blieb immer wieder ein Thema der Mode. Etwa 2012, als die Jil Sander Vasari Bag, eine leicht behandelte braune Papiertüte mit Firmenlogo, einen gewaltigen Hype auslöste und Käufer bereit waren, 200 € pro Stück hinzublättern.

Vielleicht manifestiert sich in dieser aufflammenden Papierwertschätzung eine nostalgische Gegenbewegung zur wachsenden Digitalisierung. Denn vor allem als Brief oder schönes Buch zeigt Papier seine sinnliche Seite, der sich auch die Mode immer öfter bedient, wenn sie für Modeschauen klassische Papierorte (Bibliotheken) wählt oder sich von Buchheldinnen inspirieren lässt – wie Max Mara bei der Präsentation seiner Frühjahr-Sommer-Kollektion 2019 auf der Mailänder Modewoche.

Auch Kleidung aus Papier oder vielmehr papierähnlichen Materialien ist wieder gefragt. In erster Linie für sehr spezifische Anwendungen, vor allem als Schutzanzüge in Labors und Reinräumen. Die Kunstfaser Tyvek beispielsweise wirkt außen wie Papier, ist genauso leicht und dünn, dabei sehr robust und wasserabweisend. Eher alltagsorientiert, aber mehr Richtung Accessoires ist, was die Berliner Firma Paprcuts daraus macht: Portemonnaies, Kultur- und Bauchtaschen. Der gegenwärtige Trend zur Nachhaltigkeit könnte durchaus beitragen, dass „Papierkleidung“ in Form von langlebigen und umweltfreundlich hergestellten Materialien wie Tyvek seinen Markt findet. Das innovative Label Luxaa aus Sachsen-Anhalt experimentiert schon seit Jahren mit dem Material und führt in seinem Sortiment bereits Kleider, Röcke und Shirts aus Tyvek. Noch sind sie einfarbig, doch da Tyvek sich genauso gut bedrucken lässt wie Papier, ist hier auch optisch alles möglich.

 

Photo by @melika.dez
Paper Dress by @misscloudymtl
Dancer: @mai.kono6 of @grandsballets