Im Video-Podcast „Fashion Neurosis“ schürft die Londoner Designerin Bella Freud im Unterbewusstsein ihrer prominenten Gäste über deren Beziehung zu Kleidung.
Es ist so naheliegend, dass man die Verbindung leicht übersieht wie den sprichwörtlichen Wald hinter den Bäumen. Bella Freud, die Urenkelin des berühmten Wiener Psychoanalytikers Sigmund Freud, macht seit 2024 einen originellen Video-Podcast. Befreundete Promis legen sich auf das Sofa in Freuds Wohnung und beantworten ihre Fragen zum Thema Kleidung und Mode.
Das Setting erhebt keinerlei professionellen psychologischen Anspruch, schließlich ist die Gastgeberin Mode-Designerin, keine Psychologin. Dennoch hat man das Gefühl, Fragen und Antworten gehen um einiges tiefer als das redundante Floskel-Pingpong in den üblichen TV-Shows. Bella nimmt sich auch Zeit. Etwa eine Stunde dauern die wöchentlichen Episoden. Unter den Gästen waren Cate Blanchett, Kristin Scott Thomas, Julianne Moore, Kate Moss, Nick Cave, die Schriftstellerin Zadie Smith, Modedesigner Stefano Pilati, der Punk-Dichter John Cooper Clarke und der ehemalige Fußballstar von Manchester United, Eric Cantona.
Was macht Mode mit uns? Wer oder was beeinflusst unsere Einstellung zur Mode? Welche Rolle spielt Kleidung in unserem Leben? Nach der wiederkehrenden Eingangsfrage „Was trägst du heute und warum?“ orientiert sich Bella Freud sehr spezifisch an ihrem jeweiligen Gast. Die „Mode-Patienten“ sprechen sehr offen über ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und „Mode-Neurosen“. Bellas Fragen haben durchaus psychologische Raffinesse, die Offenheit der Gäste ist aber auch ihrer Vertrautheit mit der Gastgeberin geschuldet. Über den Musiker Nick Cave erfahren wir beispielsweise, dass er auch zu Hause Anzug trägt. Es verleihe seinem Tag die nötige Struktur, sagt Cave. Bella angelt auch einige Kindheitsepisoden aus Caves Gedächtnis. Etwa, dass er die Klamotten seiner älteren Brüder tragen musste, als sie ihnen zu klein wurden. Die Eltern hatten eben wenig Geld. Immerhin bekam er später eine Schlaghose, als dieser Trend auch in der australischen Provinz ankam. Sie waren allerdings aus Wolle und furchtbar kratzig, erzählt Cave. Deshalb trug er auf einem Schultanz unter der Schlaghose eine Strumpfhose seiner jüngeren Schwester. Er erzählte seinem besten Freund davon. Kurze Zeit später wusste es die ganze Schule. Very Ouch!
Auch Cantona hat eine Jugend-Anekdote am Start: Von seinem ersten Geld als Fußballspieler kaufte er sich eine fürchterlich teure Benetton-Hose. „Ich wollte, dass jeder weiß, dass es eine Benetton-Hose ist. Na ja, ich war etwas dämlich damals. Ein Teenager, vielleicht 16. Also nahm ich das Etikett von innen und nähte es außen auf die Hosentasche. (…) Heute bin ich genau das Gegenteil davon. Wenn irgendwo auf einem Kleidungsstück der Markenname zu sehen ist, kaufe ich es nicht.“
Damit stellt Bella die Verbindung her zum Titel und Thema ihres Podcasts. Der von Sigmund Freud geprägte Begriff Neurose bezeichnet ein gestörtes Verhältnis. Ganz so dramatisch ist es dann doch nicht, denn die meisten Mode-Neurosen ihrer Gäste würde man zumindest heute vermutlich eher als Spleens bezeichnen.
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