Sympathy for the Dressman

2022 feiern die Rolling Stones ihr 60. Band-Jubiläum. Leider ohne Drummer und Fashion-Beast Charlie Watts (1941-1921)

Auf dem Cover ihres wenig geliebten Mitt-Achtziger-Albums Dirty Work drapieren sich die Stones um ein mintgrünes Sofa. Gut möglich, dass die fünf Musiker miteinander gewettet haben: Wer erscheint mit der geschmacklosesten Garderobe zur Fotosession? Mick Jagger versucht es barfuß in gelber Hose, orangenem Hemd und rotem Sakko. Keith Richards trägt zur schwarzen Hose Leopardenmuster-Schuhe, rote Socken, ein magentafarbenes Hemd und ebenfalls ein rotes Sakko. Ron Wood punktet mit grün-schwarzen Ringelsocken zur roten Hose und roten Schuhen plus magentafarbenes Sakko, genau wie Bill Wyman am anderen Ende des Sofas. Nur Charlie Watts im vergleichsweise geschmackvollen dunkelblauen Hemd fällt förmlich aus dem Rahmen. Mit gesenktem Blick und nur mit dem Oberkörper im Bild sieht es aus, als schiebe er sich so weit wie möglich aus dieser fürchterlichen Aufnahme. Dazu passt ein Statement, das er GQ vor knapp zehn Jahren gab: „Ich kleide mich sehr altmodisch und traditionell. Fotoshootings sind mir peinlich, ich gehe da nicht gerne hin. (…) Deshalb fühlte ich mich bei den Rolling Stones immer völlig deplatziert.“

Abseits der Stones stand Charlie Watts auf den Jazz der 1950er und 1960er und ließ sich nicht nur musikalisch von der gepflegten Coolness der Stars inspirieren: Miles Davis, Duke Ellington, Charlie Parker, Lester Young. Alles Leute mit Stil – während Jagger und Co keine Modepeinlichkeit ausließen. Mit Anzug und Krawatte sah man Watts nicht nur auf Beerdigungen oder Ritterschlag-Partys der Queen. Anzug war für ihn die Norm, nicht die Ausnahme. Als persönliche Stil-Ikone nannte Watts den singenden Frack Fred Astaire, der regelmäßig als einer der bestgekleideten Männer der Welt gelistet wurde. Auch Charlie Watts erhielt mehrere Auszeichnungen für seine feine Garderobe, unter anderem von GQ und Vanity Fair. Er hatte ein Faible für Prada und Ralph Lauren, aber es heißt auch, er habe auf einer Auktion Anzüge des englischen Kurzzeitkönigs Edward VIII. ersteigert, Anzüge aus den 1940er- und 1950er-Jahren. Kein Problem für einen Mann mit der Stilsicherheit eines Charlie Watts. Wenn ihn seine zwei Londoner Schneider im Stich ließen, entwarf er seine Garderobe auch mal selbst. Passend zu seinem Kleidungsstil hatte er die Ruhe weg, verkörperte innerhalb der Band Beständigkeit und Zuverlässigkeit. Jagger und Richards waren die wilden, genialen Bühnengesichter der Stones, aber Charlie Watts war Mr. Cool, ein Mann mit Takt und Stil.

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