Je Untergang desto Amulett. Die Bereitschaft vieler Menschen, in Krisenzeiten ihre Hoffnung auf übersinnliche Kräfte zu setzen, macht auch vor der Mode nicht halt.
Manchmal sind es die vermeintlich nebensächlichen Dinge, die Aufmerksamkeit erregen. Medaillons mit Heiligenbildern, Münzanhänger und Kristalle sind 2020 angesagt wie nie. Soziologisch betrachtet ist der Amulett-Trend eine typische Reaktion auf große Veränderungen und wachsende Unsicherheit: Je weniger Vertrauen die Menschen in eine rationale, kalkulier- und planbare Welt haben, desto größer die Sehnsucht nach metaphysischen Heilsbringern – seien es Götter, Geister oder Superhelden. Als grundsätzlich materiell orientierte Wesen projizieren Menschen ihre überempirischen Bedürfnisse gerne auf Gegenstände, die dadurch metaphysisch und symbolisch aufgeladen werden: Glücksbringer, Talismane, Amulette, Maskottchen. Wie so oft spielt die Mode auch mit dem Talisman-Trend. Zum Beispiel beim australischen Luxuslabel Zimmermann: Die Kleider sind kreuz und quer bedruckt mit Begriffen aus dem Übersinnlichkeits-Genre: „Superstition“ (Aberglaube), „Evil Eye“ (böser Blick), „Magic“ (Magie), „Clairvoyant“ (Hellseher), etc. Das erinnert an Virgil Abloh. Bei der New York Fashion Week 2018 versah er ein kleines Schwarzes mit dem – in Anführungszeichen gesetzten – weißen Schriftzug „Little Black Dress“ und stellte das Offensichtliche eben damit infrage.
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