Kammerpop im Morgenrock

Der Pianist Chilly Gonzales, der eigentlich Jason Charles Beck heißt, gibt am Klavier gerne den Entertainer. In seinen Stücken finden sich Elemente aus Jazz, Klassik und Pop. Mit drei Jahren setzte er sich zum ersten Mal ans Klavier, später studierte er Jazz-Piano und wandte sich der Popmusik zu. Ende der 1990er Jahre zog er nach Berlin und wurde mit einem Gemisch aus Rap und Elektro zum Szenestar. Mit seinen beiden Instrumental-Platten „Solo Piano“ gelang dem Klavierkünstler der internationale Durchbruch. Gonzales, der 2014 für seine Zusammenarbeit mit Daft Punk einen Grammy für das beste Album des Jahres erhielt, kooperierte u. a. mit Künstlern wie Jarvis Cocker, Leslie Feist, Peaches und Mocky. Er ist seit 2009 Weltrekordinhaber für die längste Performance eines Solokünstlers im Dauerklavierspiel: 27 Stunden! 2010 wurde Gonzales’ Drei-Noten-Stück „Never Stop“ für die Fernsehwerbung des iPads verwendet.

Auf dem fast ausverkauften Konzert in der Frankfurter Alten Oper inszeniert sich der Grenzgänger zwischen den Musikstilen in der typischen Pose eines Dandys, trägt einen flamboyanten Morgenmantel und Hausschuhe auf der Bühne. Auf seinem neuesten Album „Chambers“ kombiniert der in Köln lebende Kanadier Kammermusik mit Easy-Listening-Anleihen. Dabei begleiten ihn vier Streicher des Hamburger Kaiser Quartetts. Chambers, im Plural. Das können Zimmer sein oder Herzkammern und bezieht sich hier auf Kammermusik. Es sind kurze Stücke, die schnell ein griffiges Thema entwickeln. Die Songs sind so diversen Leuten wie Rick Ross, John McEnroe, Felix Mendelssohn, Daft Punk, König Heinrich VIII. und schließlich ihm selbst gewidmet. Während des Konzerts erzählt er sehr unterhaltsam von seinem Leben zwischen Pop und Klassik, spielt sehr bekannte Dur-Stücke („Chariots of Fire“, „Happy Birthday“) in Moll, referiert über Harmonielehre und die intime Musik des deutschen Komponisten Johannes Brahms, macht eine Zeitreise der Arpeggios vom Barock bis Daft Punk und bringt 2.000 „Gonzo“-Fans am Ende eines gut zweistündigen Konzertabends zum Schunkeln. Herrlich!

Foto: Gettyimages by Gaelle Beri/Redferns